du fehlst...

meinen Daddy
15.05.1949
24.01.2011

Lieber Daddy,

auch jetzt noch überwiegt die Traurigkeit. In den Monaten vor Deinem Tod, hab ich die Zeichen übersehn, es fehlte das Gespür für Deine Trauer, Deine Angst und Dein Schrei nach Nähe.
Jetzt im Nachhinein konnte ich sie deuten, doch jetzt ist es zu spät. Du hast für uns Dein Leben lang alles gegeben, hast gearbeitet und versucht uns ein Leben zu ermöglichen, dass Du nicht hattest.
Viel haben wir dafür entbehren müssen. Du warst nur am Wochenende für uns da, aber dann mit vollem Einsatz. Wenn man Probleme hatte, konnte man zu Dir kommen und Du hast geholfen, ohne Fragen zu stellen, ohne je etwas zu verlangen.
Heute fühl ich mich so undankbar und auch schuldig, nahm ich es doch hin als selbstverständlich und hab Dich als Menschen einfach übersehen.
Als Du ins Krankenhaus kamst, hab ich noch gedacht: Hey das ist mein Daddy, den kriegt keiner so schnell klein, der wird wieder gesund, genauso wie es immer war. Ich gab Dir einen Kuss zum Abschied und wußte nicht, dass es das letzte Mal gewesen ist, mit Dir zu reden um Dich wirklich kennen zu lernen. Denn obwohl Du immer da warst wenn man Dich brauchte, wußte man im Grunde doch nichts von Dir, von Deinen Sorgen, Ängsten, Nöten und von Deinen Gefühlen, tief in Dir drin.
Sechs Wochen lang, hast Du dann noch gekämpft, an den Maschinen und mir brannten so viele Dinge auf der Seele, doch wollte ich Dich nicht belasten, wollte da sein, stark sein, so wie immer, so wie Du mich kanntest. Ich war so hilflos, innerlich so zerbrochen, Dich so dort liegen zu sehen und nichts tun zu können.
Am Anfang war noch die Hoffnung, Du würdest es schaffen, doch immer mehr begann ich zu begreifen, dass dies die letzten Tage sein werden, die wir miteinander verbringen können. Ich zog mich ein Stück weit zurück und tat vor Dir so als würdest Du bald wieder mit nach Hause kommen, auch wenn ich wußte wenn wir Dich mit nach Hause nehmen, dann wird es nur für die Beerdigung sein.
An unserem letzten Abend, sagte mir der Arzt, dass sie Dich gehen lassen werden wenn Du bereit bist dazu und ich ging zu Dir zurück, küsste Deine Stirn und sagte Dir, dass ich am nächsten Tag kommen werde.
Es waren die letzten Minuten in denen ich mit Dir zusammen sein konnte und es hätte noch so viel gegeben was ich Dir hätte sagen sollen, in den letzten Minuten, aber ich wollte nicht wahrhaben, dass Du gehst, obwohl ich es innerlich genau gewußt hab. Ich schob es auf, ging von der Station, wie in Trance, ich hätte schreien können vor Schmerz, denn ich wußte, es war das letzte Mal das wir uns gesehen haben. Die letzte Chance Dir zu sagen was ich Dir sagen wollte.
Am nächsten Morgen dann der Anruf vom Krankenhaus, als wir ankamen, warst Du schon eingeschlafen, hast den Kampf aufgegeben.
Für mich ist es bis heute immer noch das Schlimmste zu wissen, dass niemand von uns in Deinen letzten Sekunden bei Dir war, nur Ärzte, Schwestern und Geräte. Dein Zimmer war so ruhig, Du lagst in Deinem Bett, ganz friedlich schlummernd, so als würdest Du schlafen und jeden Moment die Augen öffnen und mit uns fröhlich lachend Scherze machen, aber nichts passierte.
Ich kanns bis heute nicht verstehen und in vielen Dingen um mich herum, sehe ich Dich und erinnere mich an die Momente in denen Du bei mir warst, in denen Du ganz für mich alleine Daddy warst.
Ich vermisse Dich so unendlich und ich wünschte ich hätte noch mehr Zeit mit Dir haben können, die vielen kleinen Momente die wir hatten besser genutzt und vor allem Dir mehr Aufmerksamkeit geschenkt um zu sehen und zu hören, wie sehr Du nach Halt gesucht hast. Für deine Enkel ist es besonders schwer, sie konnten sich nicht verabschieden, haben Dich nicht mehr gesehen, nachdem Du mit ihnen die Geschenke für Weihnachten kaufen warst. Sie leiden so sehr und ich weiß nicht wie ich Ihnen helfen soll. Wir alle leiden, denn wir vermissen Dich, Deine ruhige Art, Deinen trockenen Humor, der Geruch deiner Zigarren, Deine überlegte Art Probleme anzugehen und zu lösen.
Der Spruch:" Man merkt erst, was man an jemandem hat, wenn man ihn verloren hat!", trifft es voll und ganz, denn erst jetzt haben wir alle verstanden, was wir wirklich an Dir hatten.
Ich würde gerne die Zeit zurückdrehen um unsere gemeinsame Zeit besser zu nutzen, um mit Dir über alles zu reden, Dir zu sagen und zu zeigen, wie sehr ich Dich liebe und was Du mir bedeutest.
Aber es ist zu spät, es tut mir so unendlich leid, Dir das nicht schon früher gesagt zu haben.
Ich hoffe doch irgendwie das Dich diese Zeilen erreichen und ich Dir auf diesem Wege sagen kann: "Du fehlst, in jedem Moment unseres Lebens!"

Ich küss und umarme Dich Daddy!!

Deine Micha

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